Jesus-Krimi mit Happy End
Wie ein Holzgestalter aus dem Erzgebirge für die Rückkehr der gestohlenen Roruper Figur sorgte
Für Robert Wulf grenzt es an ein Wunder: Das Roruper Jesuskind, das Ende Dezember aus der Krippe in der St.-Agatha-Kirche gestohlen worden war, ist wieder da. „Ich hatte Tränen in den Augen“, sagt Wulf, Mitglied im Kirchenvorstand. Sechs Monate nach dem Verschwinden hatte er die Hoffnung längst aufgegeben - jetzt hält er die Figur aus Lindenholz wieder in der Hand. Und in der Tat ist es eine wirklich wundersame Geschichte, wie das Kindchen seinen Weg zurück nach Rorup fand. Eine Geschichte, in der ein frommer Fürst, Hirschgeweihe, ein gelernter Spielzeugmacher aus dem Erzgebirge und die Dülmener Zeitung eine Rolle spielen.
Rückblick: Kurz vor Silvester ist der Schock in Rorup groß. Aus der Kirche in der St.-Agatha-Kirche haben Unbekannte die Jesusfigur gestohlen. „Das macht einfach nur sprachlos“, ist nicht nur Küsterin Margret Döveling erschüttert. Alle Suchaktionen rund um die Kirche bleiben ohne Erfolg. Ebenso ein Appell der Gemeinde an die Diebe - die wichtigste Figur der Krippe bleibt verschwunden.
Ortswechsel ins Erzgebirge. In der Pfefferkuchenstadt Pulsnitz, in der Nähe von Dresden, betreibt der Diplomdesigner und Holzgestalter Karsten Braune seine Werkstatt. Der gelernte Spielzeugmacher bekommt einen ganz besonderen Auftrag: Er soll Hirschskulpturen für einen Saal in einem von Fürst Heinrich dem Frommen errichteten Jagdschloss bauen. Dafür braucht er Geweihe - und alte Jagdtrophäen findet er schließlich in Dülmen. Der 66-Jährige setzt sich am 12. April ins Auto, fährt quer durch Deutschland ins Münsterland. Zwischen Rorup und Dülmen hält er an einem Seitenweg an, um sich zu orientieren. Am Wegesrand fällt ihm etwas auf: „Da lag die kleine Figur im Gras“, erinnert sich Braune. „Mit dem Gesicht nach oben, sonst hätte ich sie wohl übersehen.“
Der kleine Jesus sei „total verschmutzt und zerbrochen“ gewesen, dazu obszön beschmiert, eine Hand fehlte, ein Arm war ab. Am Hinterkopf hatte sich bereits Pilzbefall ausgebreitet. Für den Holz-Experten ein klares Indiz, dass die Figur wohl schon zwei bis drei Monate hier lag. Trotz des schlechten Zustandes gefällt Braune das Kindchen sofort. „Es hat einfach eine gewisse Ausstrahlung.“ Er sucht noch vergeblich nach der fehlenden Hand, dann packt er die Figur ein. „Ich habe nicht länger drüber nachgedacht.“
Zurück in Pulsnitz nimmt sich Karsten Braune bald der kleinen Figur an. Er trocknet sie, schnitzt den Pilzbefall heraus, damit sich dieser nicht weiter ausbreiten kann. Auch die Kugelschreiber-Schmierereien entfernt er, befestigt den Arm. Für ihn und seine Frau sind zwei Dinge klar: Dieses Jesuskind gehört irgendwo hin. Und: „Die Figur muss zurück.“
Kurzerhand schreibt Braune Dülmens Bürgermeister Carsten Hövekamp an. Parallel kontaktiert eine Bekannte einen Freund in Münster - der sich an die Zeitungsberichte nach dem Krippen-Diebstahl erinnern kann. Braunes Frau fängt an zu recherchieren, stößt auf die DZ-Berichte im Internet. Ein Fotovergleich zeigt: Es ist tatsächlich der verschollene Roruper Jesus. Kurz darauf kommt auch die Antwort vom Bürgermeister-Büro.
Gut verpackt in Holzwolle und mit einem netten Brief als Beigabe tritt der kleine Jesus dann per Post seine Rückreise ins Münsterland an. Am Mittwoch trifft das Paket in der Pfarrei St. Viktor ein, am Donnerstagabend überrascht Pfarrer Markus Trautmann den Kirchenvorstand mit der Neuigkeit. „Das konnte zuerst keiner glauben, auch ich nicht“, erinnert sich Wulf. Am Freitagmorgen telefonierte er sofort mit Karsten Braune, bedankte sich für dessen Hilfe. Und ist immer noch ziemlich fassungslos, dass ausgerechnet ein Holzgestalter aus dem Erzgebirge die kleine Figur fand und rettete. Auch wenn eine Ersatz-Figur bereits bestellt ist - zu Weihnachten soll auf jeden Fall der so wundersam zurückgekehrte Jesus in der Krippe von St. Agatha liegen, betont Wulf.
Und Finder Karsten Braune? Der ist sehr glücklich darüber, dass das Jesuskind wieder genau „da ist, wo es hingehört.“