Bericht vom 29. März 2017 von Christiane Daldrup

kleine KapelleSeit einigen Jahren nehme ich mir während der Fastenzeit einen Tag frei, um den Großen Kreuzweg zu gehen. So war ich auch in dieser Woche wieder unterwegs in Coesfeld.

Der 1659 durch Bischof Christoph Bernhard von Galen angelegte Coesfelder „Große Kreuzweg“ verläuft rd. 10 km im Nordwesten der Stadt und beginnt und endet in St. Lamberti. Insgesamt 18 Stationen laden ein, das Leiden und Sterben Jesu vom Ölberg bis zur Grablegung zu betrachten.

Für Anna Katharina Emmerick war die Konfrontation mit dem Kreuz schon früh ein zentrales Lebens- und Glaubensthema, daher ist sie auch diesen Kreuzweg oft gegangen. Und das war vor ein paar Jahren für mich der inspirierende Punkt, diesen Weg zu gehen – sich einmal auf die Spuren der Seligen zu begeben. Ich kann die Leidenschaft von Anna Katharina Emmerick für diesen Kreuzweg gut nachempfinden, und so ist er inzwischen für mich ein fester Bestandteil der Fastenzeitgestaltung geworden. Denn dieser Weg hat mir als Betrachter viel zu bieten. Alleine die Tatsache, dass es sich wirklich um einen KreuzWEG handelt und nicht um eine Aneinanderreihung von Stationen auf engstem Raum, wie es leider in vielen Kirchen der Fall ist, lässt ein „Mitgehen“ mit Jesus zu.

Die Strecken zwischen den Stationen geben mir Raum und Zeit, die Betrachtungen und Gebete zu vertiefen, über das Gehörte und Gesehene nachzudenken. Die Impulse und Lieder, die Schwestern Unserer Lieben Frau für die Große Kreuztracht in einem Gebetsheft zusammengetragen haben, sind mir dabei eine Hilfe.

Was Jesus für mich getan und erlitten hat, greift von Station zu Station immer tiefer in mein Bewusstsein, in mein tiefstes Inneres. Unweigerlich beginnt eine Konfrontation mit meinem eigenen Leben und Handeln.
Denn die Darstellungen sind nicht nur historisch zu betrachten, sie zeigen uns durchaus auch heute noch bekannte Situationen im (zwischen-)menschlichen Leben: alleingelassen und ausgestoßen, verhöhnt und verraten, erniedrigt und entblößt. 

Aber einige Bilder geben auch Trost und Mut, denn sie offenbaren die mitfühlende Seite der Menschen – die Mitleid haben wie Veronika, die helfen wie Simon und die trauern wie die weinenden Frauen.

Den Verlauf des Kreuzweges empfinde ich schon fast als passende Metapher, denn er führt teils entlang befahrener Straßen, teils in wunderschöner Natur: Ruhe und Hektik, Vogelgesang und Autolärm, weicher Waldboden und harter Asphalt, Licht und Schatten gestalten den Weg.

Die Stationen sind insgesamt in einem guten Zustand und auch sehr gepflegt. Aufgestellte Kerzen vor den einzelnen Bildstöcken zeugen davon, dass sich noch viele Gläubige auf diesen Weg begeben. In der kleinen Kapelle, die zum längeren Verweilen einlädt, haben Beter Devotionalien zum Dank hinterlassen. In der großen Kapelle befindet sich auf Augenhöhe eine Nachbildung des Coesfelder Kreuzes. Es zeigt auf eindringliche Weise den gemarterten Körper Jesu. 

Dieser Anblick lässt nicht unberührt ... – "Ein Haupt voll Blut und Wunden, voll Schmerz und voller Hohn ..." – Dieses Lied kommt mir augenblicklich in den Sinn. So empfinde ich es als wertvoll und wohltuend, dass man in dieser Gebetsstätte einige Zeit in Stille und Andacht verbringen kann.  

Das Original des Coesfelder Kreuzes befindet sich in St. Lamberti, wo auch der Kreuzweg endet. Vor diesem Kreuz hat die Selige häufig gebetet. Die Kreuzesstigmata auf dem Brustbein Anna Katharina Emmericks wiesen die Form dieses Kreuzes auf.

Ich kann nur dazu ermuntern, sich auch mal auf die Spuren der Anna Katharina Emmerick zu begeben und den Coesfelder Kreuzweg zu gehen, sich dabei auf Jesus zu konzentrieren und die Betrachtungen auf sich wirken zu lassen.
Diese lange Wegstrecke und die geistliche Auseinandersetzung mit dem Leiden Jesu lohnt sich und birgt für mich immer wieder eine neue Glaubenserfahrung und -vertiefung. 

 

Ihnen allen ein gutes Zugehen auf das Osterfest!
Christiane Daldrup