Die älteren Dülmener erinnern sich: 1975 wurden an der Kreuzkirche die Gebeine der später seliggesprochenen Anna Katharina Emmerick exhumiert und untersucht. Am Montag, dem 3. Juni, wurde eine solche Untersuchung einem anderen Dülmener Seligsprechungskandidaten zuteil, nämlich Friedrich Kaiser.

In früheren Jahrhunderten war die feierliche „Erhebung“ der Gebeine eines Glaubenszeugen aus dem Grab durch einen Bischof der eigentliche Akt der offiziellen Heiligsprechung. Auch heute wird im Laufe des Kanonisierungsverfahrens das Grab eines zur Kanonisierung anstehenden Verstorbenen geöffnet und werden (in der sogenannten Rekognoszierung, der „Erkennung“) die sterblichen Überreste des Seligsprechungskandidaten gesichtet. Der Theologe Becker-Huberti erklärt: „Nach einem entsprechenden Gesuch an den Ortsbischof erfolgt die Exhumierung der sterblichen Überreste des Dieners Gottes. Diese erfolgt in der Regel unter Beteiligung von zwei medizinischen Sachverständigen, wenigstens drei unabhängigen Zeugen und der Arbeiter, die bei diesem Vorgang helfen. Es erfolgt eine Umbettung in einen Zinksarg unter Befolgung genauer Vorschriften. Den Gebeinen werden einzelne Partikel als zukünftige Reliquien entnommen, dann wird der Sarg versiegelt.“ Über alles wird ein präzises Protokoll erstellt, von dem eine Abschrift an die entsprechende Kongregation nach Rom geht.

Warum dieses Vorgehen? Hier lohnt sich ein Blick in die Frömmigkeitsgeschichte des Christentums bis zurück zu den Tagen der Heiligen Schrift. „Wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch ist und den ihr von Gott habt, und dass ihr nicht euch selbst gehört?“ – so fragt der hl. Paulus die Gemeinde von Korinth (1 Kor 6, 19). Das Wirken und Handeln eines Menschen ist nicht denkbar ohne seinen Leib. (Wie sehr Seele und Leib aufeinander bezogen sind, weiß jeder, der mal Zahnschmerzen hatte.) Der Leib ist Voraussetzung und Medium, damit sich der Wille und die Inspiration des Menschen umsetzt und Gestalt annimmt. „Dein Leib war Gottes Tempel, er schenke dir ewige Freude“ – so heißt es im Verabschiedungsritual der Beerdigung. Folgerichtig schmücken und ehren wir die Grabstätten unserer Angehörigen; und folgerichtig erfahren bei der Verehrung der Seligen und Heiligen auch die Gebeine eine besondere Wertschätzung: durch die Verehrung der Grabstätte oder von Reliquien.

Im Bistum Münster fanden derartige Exhumierungen und Rekognoszierungen im Rahmen einer angestrebten Seligsprechung außer 1975 in Dülmen (Anna Katharina Emmerick) auch 1985 auf dem Zentralfriedhof in Münster (Schwester Euthymia), 1991 im Viktor-Dom Xanten (Karl Leisner) oder 2005 im Paulusdom Münster (Clemens August von Galen) statt. 

Doch zurück zu Bischof Kaiser und seine Exhumierung in Caravelí in den Hochanden am 3. Juni. Zu Beginn wurden in der Kapelle der von Kaiser gegründeten Schwesterngemeinschaft in Gegenwart einiger Besucher die sieben mit der Exhumierung und Rekognoszierung befassten Fachleute und Arbeiter vereidigt. Dann begab sich die Gruppe, begleitet von Altbischof Bernhard Kühnel, zum Mausoleum, um den Sarg zu holen. Nachdem die marmorne Grabplatte entfernt worden war, wurde der Sarg gehoben und in einer Prozession in einen großen Raum gebracht, der sonst als Klassenzimmer dient und für den besonderen Anlass vorbereitet worden war. Insgesamt dauert die ganze Prozedur siebeneinhalb Stunden; abschließend wurden die Gebeine wieder beigesetzt.