Steinerne Erinnerungen auf dem Dülmener Kirchplatz. 

Das Bodendenkmal „Lateinschule“ ist das älteste Zeugnis für das Schulwesen in Dülmen. Ihre Lage unweit von St. Viktor ist noch im sogenannten „Urkataster“ von 1825 erfasst.

Nach Auskunft von Archäologen Dr. Gerard Jentgens wurde die Schule vermutlich 1323 gleichzeitig mit dem Stiftskapitel eingerichtet. „Schon für das Jahr 1325 erfährt man, dass dort ein Rektor namens Alhardus tätig ist“, weiß Jentgens zu berichten. Lateinschulen wurden zunächst von kirchlicher Seite gegründet und entstanden an Bischofssitzen, Klöstern oder eben Stiften. Entsprechend lagen die Schulen meist dicht bei den Kirchbauten. Sie dienten in erster Linie der Ausbildung des kirchlichen Nachwuchses, der Kleriker. Bald aber sah auch die städtische Öffentlichkeit die Notwendigkeit, die Heranwachsenden zu bilden, beispielsweise im Hinblick auf zukünftige Verwaltungsmitarbeiter. Auch in Dülmen beteiligte sich die Stadt spätestens seit 1434 an der Finanzierung der Lateinschule bzw. der Lehrkräfte.

Aus späterer Zeit gibt es eine knappe Beschreibung des Schulgebäudes, die zwei große und einen kleineren Raum erwähnt. Der archäologische Befund zeigt im Erdgeschoss eine Gliederung durch eine Quermauer, durch die die Grundfläche im Verhältnis von etwa 1:2 geteilt wird. Ferner konnten die Eingangsbereiche und der Standort des Kamins freigelegt werden. „Die relativ geringe Breite des Fundaments aus großformatigen Backsteinen weist darauf hin, dass die Dülmener Schule ein Fachwerkgebäude war“, vermutet der Archäologe. 1831 wurde das in die Jahre gekommene Schulgebäude, in dem Jungen und Mädchen unterrichtet wurden, zum Abbruch verkauft und ein neues Gebäude an der Münsterstraße errichtet. 

Der Kirchenvorstand von St. Viktor hatte im Jahr 2021 entschieden, die Spuren dieser wichtigen und über Jahrhunderte wirkende Bildungseinrichtung neu ins öffentliche Bewusstsein zu bringen und in die Neugestaltung des Kirchplatzes einzubeziehen. Im Januar 2022 wurde damit begonnen, den Verlauf der Fundamente, das noch weitgehend im Erdreich erhalten ist, oberirdisch darzustellen. Dazu wird in der Art einer Intarsie künftig ein steinernes Band aus Grauwacke die Rasenfläche unter den alten Lindenbäumen durchziehen. Darüber hinaus wird an  vier Stellen durch mächtige Steinblöcke der Verlauf der Wände bzw. der Hausecken in eine Höhe vor rd. 50 cm dargestellt. 

Ein ganz besonderer Hinweis auf die Dülmener Schule am Kirchplatz findet sich übrigens in den Visionen der seligen Anna Katharina Emmerick, wie sie Clemens Brentano im November 1819 in sein Tagebuch notiert: „Hier auf dem Kirchhof zwischen Schule und Kirche, links von der Kirche, liegt etwas tief ein ganz erhaltener und unbekannter Leichnam einer Seligen. Es wurde mir gezeigt, wie er dennoch den oben Herübergehenden Schutz und Nutzen bringt.“